Gemeinsame Rechtsaufsichtbeschwerde von FDP, Grüne, SPD

Rechtsaufsichtbeschwerde

Rechtsaufsichtbeschwerde über die Erhöhung der Fahrkostenpauschale/Reisekostenpauschale des 1. Bürgermeisters ohne Bemessungsgrundlage von 350 Euro auf 400 Euro monatlich (Beschluss Gemeinderatssitzung Grünwald vom 26.01.2021)

Sehr geehrte Damen und Herren,
bisher und aktuell wieder wurde die Fahrkostenpauschale des ersten Bürgermeisters im Grünwalder Gemeinderat beschlossen, ohne zu berücksichtigen, wie hoch der regelmäßige Kostenaufwand des Bürgermeisters für Dienstfahrten voraussichtlich sein wird. Deshalb haben B90/GRÜNE am 08.10.20 den Antrag gestellt (siehe Anlage), die Berechtigung der Reisekostenpauschale des ersten Bürgermeisters für die dienstlichen Fahrten mit dem privaten PKW durch die Führung eines dreimonatigen Fahrtenbuchs zu ermitteln, dadurch eine angemessene Pauschale zu bestimmen und diese durch den Gemeinderat zu beschließen.

Rechtsgrundlage für die Reisekostenerstattung des 1.Bürgermeisters ist das Kommunale Wahlbeamtengesetz (KBWG) in Verbindung mit dem Bayerischen Reisekostengesetz. Gemäß Art. 6 BayRKG kann der Bürgermeister für die Nutzung seines PKWs eine Entschädigung in Höhe von 0,35 Euro pro Kilometer geltend machen, auch für Fahrten, die er mit seinem Fahrzeug innerhalb des eigenen Gemeindegebiets durchführt. Für Dienstfahrten mit dem Fahrrad werden 0,06 €/km erstattet.

Anstatt Einzelabrechnung kann die Gemeinde dem Bürgermeister bei regelmäßigen oder gleichartigen Dienstreisen oder Dienstgängen an Stelle der Reisekostenvergütung eine Pauschvergütung gewähren, die nach dem Durchschnitt der in einem bestimmten Zeitraum sonst anfallenden Einzelvergütungen zu bemessen ist (Art 19 BayRKG). In den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum BayRKG wird unter 19.2 näher erläutert, wie die Höhe der Pauschvergütung bemessen wird: „1) Die Bemessung der Pauschvergütung orientiert sich an den notwendigen Aufwendungen, die Dienstreisenden erfahrungsgemäß zu erstatten gewesen wären, würden sie über jede regelmäßige oder gleichartige Dienstreise gesondert abrechnen. 2) Erfahrungswerte werden üblicherweise auf Grund von Aufzeichnungen über einen repräsentativen Zeitraum über die im Einzelnen abgerechneten Dienstreisen und Dienstgänge gewonnen.“

Laut Fachbeitrag Bayerischer Gemeindetag Heft 3/2020 S.188 (siehe Anlage) ist es erforderlich, über einen repräsentativen Zeitraum (in der Regel drei Monate) Aufzeichnungen über regelmäßig wiederkehrende Fahrten z.B. in Form eines Fahrtenbuch zu führen. Dies bedeutet, dass in den ersten drei Monaten eine Spitzabrechnung der Reisekosten erfolgt. Liegen die Aufzeichnungen vor, wird die sich hieraus ergebende durchschnittliche Fahrleistung mit dem derzeit geltenden Satz von 0,35 Euro multipliziert. Die errechnete Fahrtkostenpauschale wird durch Beschluss des Gemeinderats festgesetzt. In der Antwort Ihrer Behörde vom 07.12.2020 auf die Rechtsaufsichtsbeschwerde von Gemeinderatsmitglied Oliver M. Schmidt vom 24.11.2020 führen Sie aus, dass zur Ermittlung der Höhe der Pauschvergütung nicht nur ein Fahrtenbuch, sondern auch die Kosten für
öffentliche Verkehrsmittel oder die Kosten eines Dienstwagens herangezogen werden können. Da laut Art. 5 BayRKG auch die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel erstattet werden, ist es nur logisch, dass diese auch bei der Festsetzung der Pauschvergütung berücksichtigt werden.

Was sich uns jedoch nicht erschließt, ist Ihre Aussage, dass auch die (fiktiven) Kosten eines Dienstwagens herangezogen werden können. Diesbezüglich besteht keine Rechtsgrundlage durch das BayRKG oder die Verwaltungsvorschriften dazu.

Ein Ermessen des Gemeinderats, wie von Ihnen angeführt, besteht laut KWBG nur bezüglich der Entscheidung Einzel-oder Pauschabrechnung. Entscheidet sich der Gemeinderat für pauschal, dann IST die Pauschvergütung nach dem Durchschnitt der (……) Einzelvergütungen zu bemessen.

Der oben genannte Antrag von B90/GRÜNE wurde in der Gemeinderatssitzung vom 26.01.2021 behandelt. Es gab dazu folgenden Beschluss: „Der Gemeinderat beschließt die Weiterführung der bisherigen Regelung analog des Beschlusses des Gemeinderates vom 16.05.2002 sowie eine Erhöhung der Reisekostenpauschale des 1. Bürgermeisters auf monatlich 400 Euro. Der Antrag der Fraktion B90/GRÜNE vom 08.10.2020 gilt somit als abgelehnt. Abstimmungsergebnis 13 zu 11.“

Wie man aus dem Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 26.01.2021 entnehmen kann (siehe Anlage), wurde die bisherige monatliche Pauschale in Höhe von 350 Euro vom
Gemeinderat am 16.05.2002 beschlossen. Man hat damals die Höhe der Pauschale vom Vorgänger des Bürgermeisters übernommen, obwohl im Jahr 2001 der kommunale Prüfungsverband in einer Textziffer die Festsetzung der Pauschale ohne Grundlage, z.B. durch ein Fahrtenbuch, angemahnt hatte. Das neugewählte Gemeinderatsgremium 2002 sollte eigentlich die Pauschale durch eine noch zu ermittelte Grundlage neu festsetzen. Dieses Gremium wurde aber nicht über diese verlangte Vorgehensweise unterrichtet und hat dieses Verfahren nicht umgesetzt. Die Pauschale wurde schon damals, entgegen der verlangten Vorgehensweise durch das Reisekostengesetz, einfach per Beschluss festgesetzt. Bis zur Sitzung am 26.01.2021 wurde kein weiterer Beschluss über die Höhe der Pauschale vom Gemeinderat gefasst.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass zu keinem Zeitpunkt - weder bei Amtsantritt des 1. Bürgermeisters im Jahre 2002 noch im Verlauf der zurückliegenden Amtszeit von insgesamt 19 Jahren - jemals der Pauschbetrag nach den maßgeblichen Kriterien ermittelt wurde. Es handelt sich hier eben gerade nicht um den Fall, dass bei Beginn einer Amtszeiteine ordnungsgemäße Ermittlung stattgefunden hätte, die dann - falls  keine besonderen Umstände für eine Veränderung sprechen - für die folgende Amtszeit desselben Bürgermeisters ohne erneute Prüfung sicherlich weitergelten könnte, wie Sie in Ihrem Antwortschreiben vom 07.12.2020 ausführen.

Der Antrag des Gemeinderatsmitglieds Zettel, diese Pauschale aus wirtschaftlichen Gründen auf 400 Euro zu erhöhen, weil ein angemessenes Dienstfahrzeug erheblich höhere Kosten verursachen würde, hat mit der Bemessung der Pauschale, wie sie das Reisekostengesetz verlangt, nichts zu tun. Abgesehen davon, dass diese Erhöhung der Pauschvergütung in Zeiten der Corona Pandemie – wo seit fast einem Jahr praktisch keine
Präsenzveranstaltungen wie Dorffeste, Konzerte etc. mehr stattfinden – zu einem denkbar ungünstigen und vom Bürger nicht nachvollziehbaren Zeitpunkt beschlossen wurde, ist die Höhe derselben eine rein willkürliche Festsetzung, die so von der Mehrheitsfraktion im Grünwalder Gemeinderat abgesegnet wurde.

Es geht uns nicht um die Höhe oder Angemessenheit der Fahrtkostenpauschale, sondern um die fehlende Rechtsgrundlage bezüglich der Ermittlung der Pauschvergütung. Für den Fall, dass die Pauschale überhöht ist, ist zudem der Grundsatz des sparsamen Umgangs mit den Haushaltmitteln verletzt. Auch aus steuerrechtlichen Gründen ist es geboten, diese Pauschale als Aufwandsentschädigung rechtskonform zu ermitteln, um sie so steuerrechtlich von einer zu versteuernden Entgeltzahlung abzugrenzen. Wir bitten Ihre Behörde um Prüfung dieses Sachverhalts.

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Reinhart, Fraktion GRÜNE
Michael Ritz, Fraktion FDP
Achim Zeppenfeld, SPD